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Einmalige Archäologie

Der Landkreis Donau-Ries hat mit über 2.300 Bodendenkmälern die höchste Anzahl in ganz Bayern (das dicht besiedelte württembergische Ries ist hier gar nicht berücksichtigt). Die Masse der Bodendenkmäler konzentriert sich auf das Nördlinger Ries mit seinen äußerst fruchtbaren Böden und seinem günstigen Beckenklima. Zu allen Epochen und in allen Kulturen war das Ries dichtest besiedelt und stellt damit eine archäologisch höchst bedeutsame Fundlandschaft in Süddeutschland dar.

In den bayerischen Landkreisen mit einem vergleichbar großen archäologischen Erbe kümmert sich ein hauptamtlicher Wissenschaftler um die Kreisarchäologie. Im Ries gibt es nicht einmal einen ehrenamtlich tätigen archäologischen Heimatpfleger. Ein paar interessierte Laien bemühen sich in ihrer Freizeit um die Pflege des archäologischen Erbes und die Vermittlung des Themas bei der Jugend, bei den Heimatpflegern, Bürgermeister und Gemeinderäten. Seit mehreren Jahren wird auf diesen Missstand hingewiesen. Jedoch ist keine Verbesserung in Sicht.

Im Landkreis gibt es keine freien Lagerungsmöglichkeiten für archäologische Funde mehr. Das einzige archäologische Museum in Donauwörth wurde geschlossen und im städtischen Bauhof eingelagert. In Oettingen sind die Depotkapazitäten längst erschöpft und in Nördlingen gehen sie derzeit zur Neige. Daher ist es längst Praxis, dass die hier gemachten Funde nach München gelangen. Auch bei einem halbes Dutzend Privatsammlungen mit teils musealen Fundstücken aus dem Ries sind die Eigentümer ratlos, was sie mit ihren Stücken machen sollen. Im Landkreis gibt es keine Unterbringungsmöglichkeit – also nach München oder verkaufen? Die hochinteressanten Funde (Neufunde und Altmaterial) sollten in den Museen ausgestellt werden oder zumindest in Depots hier vor Ort gelangen. Jedoch werden oftmals herausragende Funde hier in der Region überhaupt nicht ausgestellt oder darauf hingewiesen.

Die ältesten Funde bilden Faustkeile mit einem Alter von 160.000 und 70.000 Jahren von Mündling und Großsorheim. Das eine Exemplar war bis 2012 im Museum in Augsburg ausgestellt, das andere kann mangels Ausstellungsmöglichkeit nicht gezeigt werden.

Eine vor rund 100 Jahren in der Hohlensteinhöhle bei Ederheim an der Grenze zwischen Bayern und Württemberg gefundene Kalksteinplatte weist Ritzzeichnung der späten Altsteinzeit auf, die mit 15.000 Jahren zu den ältesten Kunstwerken in Bayerisch-Schwaben gehören. Das Exemplar liegt in München in einem Depot. Im Nördlinger Museum wird sie nicht einmal mit einer Hinweistafel thematisiert.

Der älteste Ackerbau in Bayern wurde vor 7.500 – 7.400 Jahren nur in ganz ausgewählten fruchtbaren Regionen in Nordbayern betrieben. Das Ries weist über 20 Siedelplätze dieser ersten Bauern auf. Die bayerische Kornkammer im Gäuboden wurde erst etwas später von den Ackerbauern genutzt. Jüngere Forschungen haben hierzu neue Erkenntnisse gebracht, die im Ries noch nicht wahrgenommen oder in einem Museum thematisiert werden.

Die mutmaßlich ältesten Wagenradmodelle aus Bayern aus einem Grab vom 3. Jahrtausend vor Christus wurden 2019 in Wallerstein entdeckt. Auch sie werden in München gelagert werden.

In der Römerzeit gehörte das Ries mit weit über 100 römischen Landgütern zu den am dichtesten besiedelten Provinzgebieten. Die beiden im Ries gefundenen Teile von Militärdiplomen (darunter ein erst kürzlich gemachter Neufund aus der Nähe von Nördlingen) lagern in den Depots in München.

Die Überreste einer großen Schlacht der Ungarnzeit (viele Hundert Pfeilspitzen) vielleicht im Zusammenhang mit der Schlacht auf dem Lechfeld 955 wurden im Kartäusertal gemacht. Nur ein Teil der Funde befindet sich im Stadtmuseum Nördlingen. Ein Teil der Funde kam in die Bayerische Staatssammlung und ist dort nicht mehr auffindbar!

Nicht zuletzt durch die jahrzehntelange schlechte, bzw. gar nicht vorhandene Darstellung der Archäologie in der hiesigen Öffentlichkeit wird die Bedeutung dieses historischen Erbes nicht geschätzt und gewürdigt. Vielmehr wird die Bodendenkmalpflege hier – im Gegensatz zu anderen Regionen – als Belastung und Behinderung empfunden.

Gerhard Beck, 1. Dezember 2020